[Sa, 18.5.2024 – Nach dem Winter]

Wir fuhren heute also nach Schweden. Wir nahmen die Rostockfähre um 11:15 und kamen noch vor der Dämmerung an. Das Abendgrau zieht sich jetzt aber bereits bis nach Mitternacht, das Licht ist schon sommerlich, fast wie zur Sonnenwende.

Es ist immer etwas aufregend, das Haus nach dem Winter aufzuschliessen. Man weiss nie, was einen erwartet. Es gab den Winter mit der landweiten Mäuseplage, wo auch wir ein verlassenes, aber vollgekotetes Mäusenest im Sofa vorfanden. Das Sofa konnte man danach natürlich entsorgen. Oder dieser Vogel, der im Winter durch den Schornstein ins Haus gelangt war und schliesslich auf dem Sofa verendete. Damals war das ganze Wohnzimmer verwüstet und voller Federn. Man hätte es natürlich verhindern können, indem man den Schornstein für den Winter verschliesst. Machen wir jetzt auch.
Aber es trifft immer das Sofa. Ich würde mich im Winter aber auch auf das Sofa legen. Vor allem zum Sterben.

Dieses Jahr ist fast alles in Ordnung. Nur auf der Westseite der Küche haben sich Ameisen durch die Küchenwand vorgearbeitet. Möglicherweise wohnt jetzt eine Kolonie in dem Teil der hölzernen Aussenwand. Auf der Innenseite sieht man einen kleinen Spalt, unter dem eine halbe Handvoll Holzstaub liegt, um den etwa zwei Dutzend Ameisen ihrer Ameisenarbeit nachgehen. Ich entfernte den Holzstaub und meine Frau bestaubte das Loch mit Myra, das ist ein Mittel, mit dem man Ameisen vertreibt. Am Montag werden wir ins Dorf fahren und flüssige Holzmasse kaufen, um das Loch zu stopfen.

Sonst gab es keine bösen Überraschungen und bis auf den obligatorischen getrockneten Mäusekot war auch alles sauber geblieben. Der Kot ist schnell aufgesaugt. Der Strom lief auf Anhieb, den Brunnen hatte unser Elektriker bereits letzte Woche aktiviert.
Es ist aber ein seltsam sinnliches Gefühl, das Haus aus dem Winterschlaf zu wecken. Wir sind die ersten, die wieder die Fenster bewegen. Eine dünne Staubschicht gerät in Bewegung, wie ist kaum zu sehen, es ist eher eine Patina, ein Winterschleier, der sich sofort in Luft auflöst.

Morgen werde ich über mit der Hündin das Gelände ablaufen, nach Schaden von Wildschweinen und grossen Tieren suchen und auch die Ufer inspizieren. Der Fluss ist in diesem Winter zwei Mal über die Ufer getreten, schrieb uns der Cousin meiner Frau, der zwei Kilometer flussaufwärts lebt. Das passiert jeden Winter und ist weiter nicht schlimm, ich frage mich nur, ob das auf Dauer nicht den Weg zerstört. Wenn man den Weg nämlich nicht mehr mit dem Auto befahren kann, ist man hier ziemlich abgeschottet. Es gibt zwar in östlicher Richtung noch einen Weg, der auch wesentlich kürzer ist als der lange gute Weg, aber der kurze Weg ist in einem sehr schlechten Zustand und ich weiss nicht, ob wir langfristig die Mittel haben, diesen Weg zu unterhalten. Der lange Weg wird hingegen von einem Bauer genutzt, der 3 Kilometer flussabwärts wohnt und untersteht theoretisch der Wegevereinigung, die für ein gewisses Mass an Benutzbarkeit der Wege zuständig ist, aber wie sehr man sich auf die Wegevereinigung verlassen kann, dazu gibt es von den Bauern und Förstern eine übereinstimmende Ansicht: nämlich gar nicht. Wege würden regelmässig umgewidmet, wenn sich der Aufwand nicht mehr lohne. Wenn ich hier bin, befahre ich mit dem Auto also immer den kurzen, schlechten Weg, der ist lediglich 400 Meter lang, bis er in einen besseren Waldweg mündet. Ich finde es nachhaltiger, langfristig diesen Weg zu nutzen, da er höher liegt und daher nicht von Überschwemmungen betroffen ist, aber auch, weil er schlichtweg kürzer ist, und man schneller auf die Asphaltstrasse gelangt. Aber dieser Weg ist sehr holprig und verwachsen. Ich hoffe, dass ich ihn durch ständiges Befahren immerhin von Bewachsung freihalten kann. Eschen spriessen überall aus dem Boden, wenn man diese ungestört lässt, sind sie in zwei Jahren zu Bäumen herangewachsen.

[Fr, 17.5.2024 – Deutschtest]

Heute fand der Deutschtest statt, mit dem ich mich für die Einbürgerung in Deutschland qualifizieren muss. Ich wählte die niedrigst nötige Stufe: B2. Ich muss es mir nicht unnötig schwer machen, ich springe bei solchen Gelegenheiten nur so hoch, wie es erforderlich ist. Vor Ort im Goethe Institut fand ich dann heraus, dass B1 für eine Einbürgerung ausgereicht hätte.

Natürlich kam ich völlig unvorbereitet. Ursprünglich dachte ich, der Test würde vielleicht zwei Stunden dauern. Er ging aber von 10:30 bis 17:00 Uhr. Mit so viel Zeit hatte ich nicht gerechnet. Hätte ich aber meine Unterlagen genauer in Augenschein genommen, hättehättehätte ich.

Im Vorzimmer unterhielt ich mich mit einer Japanerin, die mir für das Modul “Sprechen” zugeteilt wurde. Wir würden gleich vor einer zweiköpfigen Jury eine Konversation über zwei Themen führen müssen. Ich wollte ein wenig das Eis brechen, sie war schwanger und schien sehr angespannt. Als sie merkte, dass sich mein Deutsch auf muttersprachlichem Niveau bewegte, wurde ihr sichtlich unwohl, ich versuchte sie aber zu beruhigen, ich sagte, wir würden das gleich ganz locker angehen, ich würde langsam sprechen und viel gestikulieren. Dann wurden wir aufgerufen und es ging wirklich gut.

Schwer tat ich mich allerdings mit dem Modul “Hören”. Ich hatte in der Nacht nur wenig geschlafen und mir brannte das rechte Auge, deswegen konnte ich mich nur schwer aufs Zuhören konzentrieren. Vor allem, weil die Fragen danach durchaus kompliziert waren und man ganz offensichtlich auf Feinheiten im vorgelesenen Text hätte achten sollen, wobei man den gesprochenen Text sich nicht ein zweites Mal anhören durfte. Möglicherweise habe ich bei diesem Modul alles falsch angegeben.

Das Modul “Schreiben” lag mir hingegen. Das Modul bestand aus zwei Teilen. Man sollte einen Text für ein Forum über Stadtverkehr verfassen. Es gab verschiedene Bedingungen, wie man die Themen aufschlüsseln sollte und welche Gliederungen man dem Text geben sollte. Der Text sollte 150 Wörter beinhalten. Im anderen Teil sollte man eine gebuchte Museumsführung stornieren und dabei verschiedene Dinge aufführen, beispielsweise einen Grund nennen, sich entschuldigen und neue Termine vorschlagen. Auch dieser Text sollte aus 150 Wörtern bestehen.
Für diese beiden Texte bekam man ganze 90 Minuten. Ich war in acht Minuten fertig, beide Texte enthielten wesentlich mehr als 150 Wörter. Acht Minuten fand ich dann schon etwas übertrieben, also baute ich beide Texte etwas aus. Vor allem die Absage an den Museumsdirektor bereitete mir Spass. Ich schrieb einen sehr freundlichen und sonnigen Brief, in dem ich mich über die unverhofften Absagen aus meiner Deutschgruppe beklagte, das rühre daher, dass wir nicht mit dem Pfingstwochenende gerechnet hatten, wo nun kurzfristig fünfzig Prozent der Gruppe es vorzogen, spontan in ein verlängertes Wochenende zu verreisen, dass ich aber schon etwas nachsichtig sei, da eigentlich alle Menschen aus der Gruppe aus nicht-christlichen Ländern kämen und mit der deutschen Feiertags-Systematik noch nicht so vertraut wären. Ich lobte sein kleines, aber feines Museum und ich würde mich über ein Entgegenkommen bei eventuellen Stornogebühren freuen, so überliess ich es ihm, mir ein paar Tage im Juni zu nennen, vorzugsweise Donnerstage am späten Nachmittag, ab etwa 16:00 Uhr. Freitage lieber nicht. Den Brief unterschrieb ich mit Mario Fontanelli, zweiter Vorsitzender der Klempner-Innung Westfalen-Lippe.

So kam ich immerhin auf dreissig Minuten. Dann gab ich aber ab, ging zum Hackeschen Markt und holte mir einen Kaffee.

[gg]

Vor drei Tagen starb ein alter Freund. Ich würde sagen, wir waren für ein paar Jahre beste Freunde. Zumindest für mich war er das, für ihn war ich das vielleicht nicht, aber vielleicht auch schon, ich bin mir nicht ganz sicher, wie es um sein Gefühlsleben stand, wenn es um Kategorien wie Freundschaft ging.
Wir kannten uns aus Südtirol. Dort gehörte er zu meinem engeren Freundeskreis, wir waren zwischen 16 und 20 Jahre alt und wilde Anarchos, wir taten aber abgefuckter, als es unser Sozialstatus hergab, schliesslich ist Südtirol ein reicher Fleck Erde, sein Vater war Lehrer und meine Eltern waren Rettungssanitäter, aber wir schlugen dennoch destruktive Pfade ein, wir tranken und kifften ständig und hatten generell wenig Lust auf Zukunft. Allerdings schrieben wir Texte, literarische Texte wie auch politische Texte, wir verstanden uns als Bauern- und Bürgerschrecks, er veröffentlichte einen fragmentierten Roman im Eigenverlag und wir schrieben zusammen mit anderen für ein kleines politisches Blatt, das von unserem Freundeskreis herausgegeben wurde, daneben versuchten wir Bands zu gründen, daraus wurde aber nie was. Wir waren so etwas wie eine Subkultur im kleinen Südtirol, auch wenn wir nicht sonderlich produktiv waren und auch für keinen wirklich kulturellen Impakt sorgten.

Mit 19 zog ich in die Niederlande, weil ich es in Südtirol nicht mehr aushielt. Und er zog in ein kleines Dorf, wo er vor allem schrieb. Unser Freundeskreis, der sich damals zwischen Wien, Meran, Bozen, Trento und Bologna aufzuteilen begann, hielt in den ersten Jahren noch intensiven Kontakt, soweit das ohne Email und Messengers möglich war, aber immer, wenn ich nach Südtirol reiste, und das geschah mindestens einmal im Jahr, traf ich alle meine damaligen Freunde wieder und wurde sofort in alle Themen und Projekten eingeweiht, als wäre ich nie weggewesen, meist feierten wir ausgiebig und da meine Familie damals noch auf dem Berg wohnte, blieb ich auch meist bei meinen alten Freunden schlafen, oft bei ihm, Georg hiess er, weil man bei ihm in seinem elterlichen Haus immer willkommen war.

Ein paar Jahre später zog er zu mir nach Utrecht. Nicht wegen mir, sondern wegen eines Geologiestudiums. Aber ich war happy darüber, einen alten Freund in meiner neuen Heimat begrüssen zu dürfen. Ich kümmerte mich darum, dass er weich in den Niederlanden landete, ich weihte ihn in alles ein, wir gründeten zusammen mit einem anderen Freund eine Internetwerkstatt in einem besetzten Haus und ja, eigentlich war er mein bester Freund in jener Zeit.

Er blieb drei Jahre. Es war eine gute Zeit. Er wohnte in einem Hausboot drei Strassen weiter, auf dem Kanal an der Leidsekade. Dort bezog er das Steuerhaus eines kleinen Frachters, den eine gemeinsame Bekannte vermietete. Wir unternahmen viel. Es gibt wenige Männer in meinem Leben. Ich hatte nie wirklich männliche Freunde. Georg kam dem, was ich mir unter einem männlichen Freund vorstelle, aber sehr nahe.
Ich fand ihn anregend. Wir hatten immer etwas zu tun, zu besprechen, er hatte immer Ideen und umgekehrt war auch er immer offen für Ideen. Beinahe vergessen hätte ich, dass wir mehrere Kurse für mittelalterliche Instrumente besuchten. Er lernte die Drehleiher zu bespielen und ich den Dudelsack. Er hörte aber damit auf, während ich das noch ein paar Jahre weiterverfolgte.

In dieser Zeit erhöhte sich auch der Konsum. Wir waren ja älter geworden. Wir tranken mehr als früher und auch öfter. Und er kiffte schon morgens, damit er klarer denken konnte, es beruhigte ihn. Ohne Kiffen war er nervöser, aufgekratzter. Mir machte es nichts aus, selber hatte ich mit dem Kiffen zwar längst aufgehört, aber ich urteilte selten über den Drogenkonsum anderer Leute. Vor allem nicht, wenn es den Leuten danach –nunja– besser ging. Und ich konnte immer vortrefflich mit ihm trinken.
Aber er war immer schon ein Eigenbrötler. Pflegte eine Abneigung gegen Menschen im Allgemeinen und dem, was man “die Gesellschaft” nennt. Er verliebte sich einmal kurz in eine schöne Frau namens Merle. Das ging aber nicht lange gut. Er fand es anstrengend.

In unserem letzten gemeinsamen halben Jahr passte es aber nicht mehr zwischen uns. Ich weiss nicht genau, woran es lag. Es ging nicht von mir aus, sondern von ihm. Ich hatte mich von meiner Freundin getrennt und führte gerade eine sehr promiskuitive Lebensphase. Ich glaube, das störte ihn. Vielleicht aber auch nicht. Wir redeten nie darüber. Er wollte öfter seine Ruhe, ich hatte den Eindruck, dass er mich nicht sehen wollte.
Dann zog er zurück nach Südtirol, in ein kleines Dorf, er würde sein Studium als Fernstudium weiterführen. Das war vor ziemlich genau 22 Jahren.
Er brach den Kontakt ab, er brach auch den Kontakt zu den anderen Freunden ab, er tauschte sich nur noch sporadisch mit einem einzigen Freund aus.

Daraufhin wollte ich ihn erst mal in Ruhe lassen. Irgendwann würden wir sicherlich wieder quatschen. Dieses Irgendwann streckte sich aber immer weiter, zuerst wurde ein Jahr daraus, dann eine Mehrzahl von Jahren und irgendwann waren zweiundzwanzig Jahre vergangen. Ich dachte immer, wir würden uns in Meran schon über den Weg laufen. Er wohnte unweit von meiner Mutter, es wären zehn Minuten zu Fuss gewesen. Ich lief aber nie hinüber.
Manchmal befragte ich diesen gemeinsamen Freund. Der sagte, er habe sich zurückgezogen, würde viel trinken und sei ein bisschen “pesantuccio”. Das Wort kommt von “pesante”, also schwer, nicht auf das Gewicht bezogen, sondern auf das Gemüt und “uccio” ist eine Art der Verniedlichung.

Es ging ihm wahrscheinlich schon lange nicht mehr gut. Ein bisschen düster war er immer, aber das waren wir ja alle irgendwie. Er vielleicht etwas mehr. Vielleicht kam er aus irgendwas nicht mehr aus eigener Kraft heraus.

Vorgestern kam dann die Nachricht von seinem Suizid. Auch wenn es bei näherer Betrachtung offensichtlich scheint, denkt man ja immer: Ach er doch nicht.
Er also doch.
Ciao Georg.
Warum auch immer es so kam.

[Di, 14.5.2024 – Bauchfummeln, Jungvogel, Asia Fusion]

In unserem Fanclub ist eine Freundin zu einer Frau transitioniert. Es war ein langer Prozess, der jetzt im letzten Jahr eine erstaunliche Geschwindigkeit aufgenommen hat. Wir haben uns sicherlich ein halbes Jahr nicht mehr gesehen. Am Samstag begrüsste ich sie wie immer. Ich begrüsste sie früher meist ein bisschen “touchy”, wie nennt man das auf deutsch, “fummelig” vielleicht, ich bin bei manchen Männern hin und wieder “fummelig”, vor allem bei verklemmten Männern, da in meinem Charakterkeller ein provozierender Zwerg sitzt, der sich schnell langweilt und immer auf seine Gelegenheit wartet. Am liebsten fasse ich Bäuche an. Ich weiss nicht, warum. So tat ich es auch oft bei ihr, bevor sie zur Frau wurde. Nun war sie sicherlich nie verklemmt, aber der kleine Zwerg in mir handelt irrational, ich kenne seine Muster nicht.
Das war bisher immer okay. Als ich am Samstag aber ihren Bauch anfasste, fühlte es sich plötzlich falsch an. Da wurde mir klar, dass ich eine Frau nie an ihrem Bauch anfassen würde.

Ich schrieb ihr später eine Message. Es täte mir leid, es sei nicht mehr angebracht, sie so zu begrüssen wie früher, ich würde das ab sofort unterbinden. Sie antwortete, dass es ihr auch aufgefallen sei und entsprechend überrascht gewesen. Aber es sei alles gut.

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Vorhin im Park schlug meine Hündin plötzlich eine verdächtige Richtung ein. Meine Sensoren fahren mittlerweile verlässlich hoch, wenn sich ungewohnte Situationen anbahnen. Die Hündin drehte abrupt ab und bewegte sich auf eine Brandmauer zu. Ich folgte ihr unauffällig, aber zügig. Sie witterte an jener Mauer etwas im hohen Gras. Auf einmal flatterte ein Vogel aus einem der Grasbüschel hervor, er flog auf einem Meter Höhe über den Fussgängerweg in den Park hinein, direkt auf mich zu. Er schien nicht richtig fliegen zu können, er gewann nicht an Höhe und auch die Steuerung beherrschte er nicht. So landete der Vogel direkt auf meiner Brust. Das fliegende Tier war ein junger Spatz, er setzte seine Krallen in meinem Tshirt fest und flatterte einfach weiter. Er wirkte nicht besonders glücklich damit, auf mir gelandet zu sein. Genau so wenig war ich glücklich darüber und ich reagierte deshalb panisch und schüttelte das Federtier von mir ab, woraufhin es ins Gras fiel.

Ich war gerade mit einer Bekannten aus dem Park unterwegs. Eine junge Russin mit einem ungestümen Australian Shepherd. Beide unsere Hündinnen kamen angerannt und interessierten sich für das Tier im Gras. Ich hob es sofort auf, hielt es schützend in meiner Hand und versuchte es zu beruhigen.

Ich schaute meine Begleiterin an: what now?
Sie wusste es auch nicht. Meine rechte Hand war belegt, daher bat ich sie zu googlen, wie man mit einem verletzten Vogel am besten umgeht. Sie googelte, aber sie war keine gute Googlerin, ausserdem spricht sie kaum deutsch, sie würde die Hilfsanleitungen von deutschen Tierschutzseiten ohnehin nicht verstehen und ich konnte ohne meine Lesebrille nichts auf ihrem Display erkennen. Also beschloss ich, den Vogel zu einem Grünstreifen zu bringen, wo keine Hunde vorbeikämen und legte ihn in hohes Gras.

Dann ging ich zurück zu meiner Begleitung und googelte. Es kam auch die Friseurin mit ihrem Dackel dazu. Sie wusste ebensowenig, was zu tun sei, sie rief aber eine Freundin an, die immer Antworten auf solche Probleme hätte. In der Zwischenzeit fand ich heraus, dass man am besten gar nichts tut. Entweder man bringt den Vogel zum Tierarzt und pflegt ihn dann selber gesund, oder man überlässt alles der Natur. In beiden Fällen würde es allerdings bedeuten, dass das Tier wahrscheinlich nicht überlebensfähig sein wird. Ich hatte wenig Lust, mit einem verletzten Spatzenkind beim Tierarzt im Wartezimmer zu sitzen und ihn danach wochenlang zu Hause zu pflegen, ausserdem fahre ich Ende der Woche nach Schweden, die Reise würde er wohl kaum überleben. Ich weiss aber auch, dass ich mich in so etwas reinversetzen kann, aber ich versuchte, keine Gefühle für das Tier aufkommen zu lassen. Die Natur ist hart, so ist der Vogel zum Vogel geworden und der Mensch zum Mensch.

Ohne eine Entscheidung getroffen zu haben ging zurück zu dem Ort, an dem ich den Vogel ins Gras gelegt hatte. In unmittelbarer Nähe befand sich ein erwachsener Spatz, vielleicht das Muttertier. Er flog weg, als ich kam. Den jungen Vogel fand ich aber nicht wieder. Vielleicht ging ja doch alles gut. Bilde ich mir ein.

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Am späten Nachmittag kam mein Schwager. Er wird bis Freitag in Berlin bleiben. Am Abend gingen wir in den Kiez, tranken ein paar Biere und assen Asia Fusion. Zum Aussprechen ist das ein furchtbares Wort. Asia Fusion.

[So, 12.5.2024 – Sonntag nach dem Spiel]

Die Polarlichter habe ich natürlich nicht gesehen. Am Freitag war der Himmel dafür ungünstig, ausserdem würde das viele Licht über Berlin vermutlich alles überstrahlen. Und am Samstag fiel ich wie ein Stein ins Bett. Zwar schaute ich gegen 21 Uhr noch einmal in den Himmel, aber der Himmel war nur berlintypisch milchigschwarz.

Es war heute ein von Müdigkeit geprägter Tag. Ich weiss gar nicht, ob ich etwas Vernünftiges tat, mit Ausnahme der verpflichtenden Aktivität, mit der Hündin aus dem Haus zu gehen. Dafür war ich über den Tag verteilt ganze drei Stunden mit ihr unterwegs. Seit ich sie habe, hat sich mein Schrittekontigent verdoppelt. Ich verbuche da als “sehr gut”.
Sie müsste eigentlich schon seit einer Woche läufig sein, aber es will nicht geschehen. Bisher wurde sie immer auf den Tag genau nach sechs Monaten läufig. Diesmal bleibt es nur bei leichten Andeutungen. Sie ist verkuschelter und die Rüden haben mittelmässiges Interesse, aber das schon seit zwei Wochen. Als steckte sie in einer angekündigten Läufigkeit fest. Am Samstag fahren wir nach Schweden. Die Läufigkeit im schwedischen Wald auszutragen ist vielleicht gar nicht so schlecht, dann müssen wir nicht um Rüden und Parks herumschleichen. Mit etwas Pech beginnt die Läufigkeit aber erst in einer Woche, dann sind wir genau während der kritischen Stehtage wieder zurück in Berlin. Besser wäre es also, wenn es heute begänne. Aber sie liegt nur neben mir und schnarcht leise.

Abends ging ich spontan mit einem Freund auf einen Drink. Manchmal hilft das gegen die Müdigkeit. Manchmal aber auch nicht. Heute nicht.

[Sa, 11.5.2024 – das letzte Heimspiel]

Heute war ich für die Banner im Stadion zuständig, also musste ich früh zum Olympiagelände fahren.

Weil meine Frau gestern ins Ausland verreist ist, gebe ich vorher die Hündin bei einer Sitterin ab. Um 9:30 mache ich mich auf den Weg. Bereits um 9:30 sind die Bahnen mit Fussballfans gefüllt. Vor allem alte Paare. An den Buden ums Stadion herum versammeln sich schon um 10:00 Uhr Hunderte Menschen und essen die erste Bratwurst und trinken auch das erste Bier. In der zweiten Liga passiert eben alles 2 bis 3 Stunden früher, man lässt sich aber nicht von den Gewohnheiten abhalten.
Um 10:30 war ich vorm olympischen Tor verabredet. Dort trifft man sich bei jedem Heimspiel mit Klaus, den ehemaligen Wirt einer Eckkneipe im Wedding. Er lagert die Banner von verschiedenen Gruppierungen, unter anderen drei Banner, für die sich mein Fanclub zuständig sieht, also das Banner des Fanclubs selber, auch das Banner des Schwul-lesbischen Fanclubs und das grosse Banner der Stadioninitiative. Das Banner des Schwul-lesbischen Fanclubs hängt diese Saison aber nicht (aus verschiedenen Gründen), daher sind es nur die anderen beiden. Für dieses Spiel haben wir auch Tapeten gemalt. Etwa 25 Meter Raufasertapete, mit der wir unseren langjährigen Spieler Peter Pekarik verabschiedeten.
Zuerst hingen wie die Banner im Block 1.1, danach galt es aber mit den Ultras und Vertretern der Kurve die Aktion mit der Tapete zu organisieren. Normalerweise kümmert sich die erste Vorsitzende unseres Fanclubs um die Kommunikation mit denen, da sie heute aber spontan ausfiel, übernahmen das wir beide anderen Vorstände.

Alle öffentlichen Aktivitäten in der Kurve, sollte man besser mit dem sogenannten FKO abstimmen. Das FKO steht für Förderkreis Ostkurve. Wie der FKO funktioniert ist grösstenteils Magie und verläuft sehr konspirativ. Mittlerweile sind wir einigermassen gut vernetzt und wissen, wie die Hierarchien sind, mit wem wir sprechen müssen. Die wichtigste Person ist ein Mann um die Vierzig, der mit dem Namen eines Reptils angesprochen wird. Der zweitwichtigste und gleichzeitig sein Vertreter hat einen normalen Namen. Erst später kommt der Capo und Vorsänger. Wobei sich die Wichtigkeit natürlich nur auf den Aufgabenbereich bezieht. Der Mann mit dem Reptiliennamen ist der Manager, er kümmert sich um alles, er läuft ständig zwischen Eingang, Container der Fanbetreuung und Bus des FKO hin und her. Er ist ständig von Menschen umgeben. Wir müssen von ihm wissen, wann wir die Tapete hochhalten können. Es geht darum, sich mit dem Vorsänger abzustimmen, damit die Tapete auch entsprechend gesangstechnisch begleitet wird, oder eben auch nicht. Es ist alles Dramaturgie. Der Mann mit dem Reptiliennamen teilt uns mit, dass in zehn Minuten sein Stellvertreter, der mit dem normalen Namen zu uns kommt und uns die Zeit mitteilt. Wir warten 20 Minuten, aber der Mann findet uns offenbar nicht. Später kommt er selber und teilt uns mit, dass uns die Spielminute 20 bis 25 gehört.

Wir nehmen die Rollen mit hinunter in unseren Block. Die drei Rollen (10m, 10m, 5m) sind nummeriert, allerdings ist es unklar, welche Rolle die 1 und welche die 2 ist. Das Problem tritt auf, weil die Nummern in römischen Ziffern mit schwarzem Tape markiert sind. Es fehlt die Nummer II. Die I kann aber genau so gut die II sein, weil an der Innenseite der Tasche ein Streifen schwarzes Tape klebengeblieben ist. Es wäre an Peinlichkeit schwierig zu übertreffen, wenn in der Kurve ein unleserlicher Satz hochgehalten werden würde. Also müssen wir die Tapeten teilweise entrollen und sie mit den Fotos vergleichen, die geschossen wurden, als sie unter der Woche gemalt wurden. Das ist im engen, mittlerweile gut gefüllten Block nicht ganz einfach. Letztendlich können wir die einzelnen Tapeten identifizieren und ich nummeriere ich sie richtig.
Später stellen wir fest, dass zwei unterschiedliche Menschen sie numeriert haben. Eine Person klebte die Nummern in römischen Ziffern auf die Aussenseite und eine andere Person kritzelte die Zahlen auf arabisch mit Bleistift an die Innenseite. Auch diese Nummern stimmten nicht überein.
Wir stellen zeitgleich aber auch fest, dass die drei Tapeten in jeglicher Reihenfolge funktionieren. Wir lassen es so, wie wir es für richtig halten.

AUF DEM RÜCKEN DIE 2
IN UNSEREM HERZEN DIE 1
DANKE PETER!

Vor Anpfiff legen wir uns auf die Reihen in der Kurve fest. Unser Fanclub ist gross, wir belegen grob die halben Reihen 17 bis 21 auf der linken Seite in Block Q3. Die Tapeten sind je 1 Meter hoch. Es sollten also etwa 4 Reihen dazwischenliegen. Wir wählten Reihe 16, 20 und 24. Noch vor Anpfiff kam eine SMS, dass sich unser Termin auf die Minute 30 verschiebt.

Dann kann ich ein Bier trinken. Es ist schon nach 12 Uhr, das ist moralisch vertretbar. Ich hole uns zwei Bier. Nach der vergangenen und noch kommenden Aufregung ist das wie Valium.

Dann kommt Minute 30 und wir entrollen die Tapete. Der Co-Vorsitzende und ich machen den Anfang und steigen in Reihe 16 hinab. Wir hatten vorher die Leute informiert. Weiter unten, in Reihe 12 oder 13 schwenkt ein junger Mann eine grossflächige Fahne, ich bitte ihn auf mein Zeichen hin, mit dem Schwenken aufzuhören. Er wusste schon Bescheid und hörte sofort auf.

Wir hatten uns vorher darauf geeinigt, die Tapete 2 Minuten hochzuhalten. Ich fand das viel, aber ich setzte den Timer in meinem Handy auf zwei Minuten. Der Vorsitzende und ich einigten uns darauf, dass wir auf das Momentum achten und wir es eventuell frühzeitig alles wieder runternehmen.

Um Punkt 30 gehen die Tapeten hoch. Irgend ein junger Mann an meinem Ende der Tapete ist hochmotiviert und übernimmt freiwillig meinen Dienst. Ich stehe also nur davor und kontrolliere. Ich bin so aufgeregt. Als ich das erste Mal auf meinen Timer schaue, erwarte ich, dass gerade mal zehn Sekunden vorbeigegangen sind, aber es stehen tatsächlich schon anderthalb Minuten auf der Uhr.
Vor der Tribüne stehe zahlreiche Fotografen, die uns fotografieren.
Nach 2 Minuten gebe ich das Signal, sie wieder runterzunehmen. Rollen alles schnell wieder ein, stopfen es in einen Karton und bringen es raus vors Stadion zum Container der Fanbetreuung.

Als ich 10 Minuten später zurück an meinem Platz bin, höre ich einen Klingelton aus meiner Jackentasche. Es klingelt immer noch der Timer, den ich in der Aufregung gar nicht mehr mitbekommen habe.

Das Spiel endet 3:1 für uns. Nach dem Spiel kommt die Mannschaft in die Kurve. Sie wird gefeiert und weil es das letzte Heimspiel ist, auch ein bisschen verabschiedet.
Nach dem Spiel fällt die Anspannung von mir ab. Ich setze mich hin und bleibe sitzen. Auch Natalie sitzt neben mir. Wir reden noch ewig lange, während sich das Stadion leert. Wir reden über die Zukunft unseres Vereins. Der Trainer wird gehen, es steht eine Präsidiumswahl an, sie wird dann sehr traurig, als wir über unseren verstorbenen Präsidenten zu sprechen beginnen. Sie weint. Wir bleiben noch lange da sitzen. Irgendwann kommen die Ordner und bitten uns, das Stadion zu verlassen. Wir sind fast die letzten.

Wir gehen zum sogenannten Rondell. Dort bestelle ich mir eine Pommes und Anne drückt mir im Vorbeigehen ein warmes Bier in die Hand. Das Bier trinke ich nur zu einem Drittel. Ich habe zu viel Alkohol und zu wenig Wasser getrunken, mein Kopf brummt. Also trinke ich ein Wasser und bestelle mir ein kaltes Bier dazu. Danach geht es mir besser.

Mit einigen Freunden bin ich für eine kleine Saison-Abschlussparty im Schrebergarten eines Fanclub Mitglieds verabredet. Das ist nur eine U-Bahn-Station entfernt. Dort gehen wir hin, wir essen was und trinken was, um sieben Uhr muss ich aber zurück nach Friedrichshain um meine Hündin bei der Hundesitterin abzuholen.

Danach falle ich tot ins Bett und bleibe dort liegen wie ein Stein.

[Fr, 10.5.2024 – Umbauen, Matt Ruff, Herthajacke]

Huch.

Hallo, liebes Blog.

Die letzten Tage waren etwas chaotisch. Damit meine ich vor allem den Arbeitsplatz, an dem ich üblicherweise viel Zeit verbringe, beispielsweise auch das Verfassen der Tagebucheinträge für dieses Blog. Der Grund dafür ist der, dass ich das Arbeits- und Gästezimmer derzeit umbaue und zudem das Bett und den Wandschrank durch neue Möbel ersetze. Das war aus logistischer Sicht etwas aufwendiger als erwartet. Die Wohnung füllte sich mit Kartons und Baumüll. Hinzu kamen Gegenstände zum Vorschein, derer ich mich zu entledigen entschloss.
Beim Umbauen fasst man alles einmal an und man sieht, wie viel man im Laufe der Zeit angesammelt hat. Mein Arbeitsplatz war also schlichtweg belegt.

Ich hatte täglich Menschen an der Tür, die irgendwelche Dinge abholen kamen, die ich auf Kleinanzeigen gestellt hatte. Ich begrüsste die Menschen mit Akkubohrer oder Hammer. Ich mache nur mit Abholung, ich habe keine Lust, auf die Post zu gehen.

Das war schon die Zusammenfassung der letzten Tage. Erwähnenswert ist höchstens, dass wir auf Disney+ “Lovecraft Country” schauten. Weil ich neulich ja “Call of Cthulhu” las, bot sich das an. Die Geschichte von Lovecraft Country stammt aber nicht von H.P. Lovecraft, sondern von Matt Ruff. Von Matt Ruff las ich als Zwanzigjähriger einmal die “Trilogie der Stadtwerke”, ein Roman, in dem in der New Yorker Kanalisation ein mutierter Weisser Hai lebt und solche Sachen. Was ich vom Setting her durchaus lustig fand, funktionierte für mich in Romanform überhaupt nicht. Aber ich kann mich nicht erinnern, was mir daran nicht gefiel, es ist zu lange her und es bedeutete mir zu wenig. Matt Ruff hat aber viele Fans. Es bedeutet also nicht, dass der Roman notwendigerweise schlecht ist.
Lovecraft Country catchte uns auch nicht sonderlich. Ich verstand irgendwann nicht mehr, worum es den Leuten geht. Über ein ähnliches Gefühl meine ich mich aus dem damaligen Roman zu erinnern.

Ah, und dann habe ich endlich die gewünschte Herthajacke gefunden. Ich postete meine Jacke in “M” in einem einschlägigen Forum. Dort besass jemand die Jacke in “L” und brauchte eine “M”. So trafen wir uns am Bahnhof Warschauer und vollzogen den Tausch. Jetzt bin ich happy und kann morgen zum letzten Heimspiel der Saison. Die Jacke riecht ein wenig nach Zigarettenrauch, sie ist sonst aber in einem sehr guten Zustand.

[Mo, 6.5.2024 – Affen, Cthulhu, Märkisches Viertel]

Das Wochenende verbrachte ich mit dem Aufbau des Kleiderschranks und mit Planet der Affen.

Die Filmreihe Planet der Affen interessierte mich bisher nicht. Ich fand die Geschichte schlichtweg albern. Affen, die intelligent werden und die Welt von den Menschen übernehmen. Es gibt im Sci-Fi-Genre andere Themen, die mich wesentlich mehr interessieren. Meine Frau liebte die Filme aber und im Sommer kommt der vierte Teil der sogenannten Neuzeit ins Kino. Den will sie natürlich sehen und weil sie etwas unnachgiebig war, liess ich mich dazu hinreissen, die ersten drei Teile der Neuzeit zu schauen. Also nicht die Filmreihe aus den Sechzigern, sondern die ab 2011.

Ich musste bereits mitten im ersten Teil zugeben, dass mir der Film sehr zusagte. Schliesslich wollte ich gleich Teil 2 und Teil 3 schauen. Es sind Filme mit Überlänge. Wir verbrachten also fast zehn Stunden mit sprechenden Affen.
Zwischendrin gingen wir zwei Mal auf eine Hunderunde. Die Welt vor der Haustür war komisch. Unsere Hündin hatte etwas Schimpansenhaftes. Auch andere Hunde. Auch mit den Menschen war etwas komisch. Ich weiss nicht genau, wie ich es beschreiben soll, aber Menschen fühlten sich nicht ganz echt an, wir zogen Vergleiche zu Affen, nicht bewusst, wir besprachen es auch nicht, sondern jeder für sich, meine Frau sagte später, ihr wäre es auch so gegangen, dass man in allen Menschen den eigentlichen Affen gesehen oder gesucht habe.

Aber ich baute auch den Kleiderschrank erfolgreich auf.

Es erstaunt mich, dass jemand die Nerven hat, vier Filme zu drehen, in denen die Hauptfiguren sprechende Affen sind. Das muss unfassbar mühselige Arbeit sein, die sich vor allem in dunklen Computerräumen abspielt. Und es ist kostspielig noch dazu.
Schon in den Sechzigern wurde dieser Roman über sprechende Affen verfilmt. Damals noch ohne Computer, mit Menschen, die Affenmasken trugen. Offensichtlich sind Leute davon angetan, diese Geschichte auf Leinwand zu bringen.

Am Freitag las ich H.P. Lovecrafts “Call of Cthulhu”. Nachdem ich Samstag und Sonntag Planet der Affen sah, wunderte ich mich, dass ich keine Verfilmungen des Cthulhu-Mythos kenne, zumal Cthulhu und Lovecraft sich einer riesigen Anhängerschaft in der Popkultur erfreuen. Es gab zwei billige und eher gescheiterte Versuche, den Cthulhu-Stoff zu verfilmen, aber ich stelle es mir wesentlich einfacher vor, ein kilometerhohes Wesen mit Krakententakeln im Gesicht filmisch umzusetzen als tausende sprechende Affen.

Aberaber. Ich habe von Filmproduktion ja auch wenig Ahnung. Eventuell ist es schwierig, das Suggestive aus der literarischen Vorlage auf den Bildschirm überzusetzen. Das Monster von Cthulhu entsteht ja eher indirekt und im eigenen Kopf, wegen der gefundenen Statuen und den Andeutungen aus der Sekte. Erfahrene Filmemacherinnen sehen das sicherlich sofort: oh-oh, Suggestion, besser die Finger davon lassen.

Heute Abend übergab ich einer Freundin aus dem Fanclub ihren neuen Laptop. Ich schlug vor, zu ihr nach Hause ins Märkische Viertel zu fahren. Ich machte keinen Hehl daraus, dass ich einfach ihre neue Wohnung sehen wollte und ich gab auch zu, noch nie im Märkischen Viertel gewesen zu sein. Sie erzählte mir über ihr neues Viertel. Über die Vorteile und Nachteile. Neben den ganzen Geschichten und Klischees, die man über das Märkische Viertel kennt, ist es aber auch wirklich ein sehr grünes Quartier, die vielen Betonbauten sind mit grünen Streifen durchzogen und auch die unmittelbare Umgebung ist bewaldet. Ärgerlich ist höchstens die schlechte Anbindung ans Schienennetz, aber auch das wird sich künftig ändern, wenn die u8 verlängert wird. Und nicht zu vergessen: Es ist ein richtiger Herthakiez.

Wir machten eine kleine Runde durch den Kiez und durch das Einkaufszentrum. Sie erklärte mir das Märkische Viertel. Das war schön.

[Sa, 4.5. – Zwei Mal Essen, Hochzeitstag, Penisse]

Am Donnerstag traf ich Exkollegen auf ein Abendessen im “Viktoria”, eines der Lokale, die im ehemaligen Tacheles eröffnet haben. Bezüglich des Tacheles bin ich sehr ambivalent. Zum einen war das Tacheles vor der Räumung eine seltsam zerstrittene Institution mit teils kommerziellen Interessen geworden, und andererseits geschah in den letzten Jahren aus künstlerischer Perspektive nichts Relevantes mehr. Allerdings mochte ich das Tacheles aus ästhetischer Sicht, diese dramatische Ruine in Bestlage der deutschen Hauptstadt, diese Kaputtheit, aber auch die Weite der Brache, dieser Raum, dem man jahrzehntelang den Marktmechanismen entziehen konnte. Das war die Ästhetik Berlins, das, was diese Stadt in den Neunzigern zu dem gemacht hat, was sie heute für viele junge Menschen darstellt, auch ein Gegengewicht zum Bild des pünktlichen, unsinnlichen und strengen Deutschen, das im Ausland vorherrscht.

Aber das reicht natürlich nicht, wenn die Inhalte nicht stimmten. Entsprechend leise ging die Räumung des Tacheles dann auch vonstatten.

Jetzt ist das ganze Gelände an den Markt ausgerichtet. Bebaut, geschliffen. Die Architektur gefällt mir zwar gut, vor allem das Eckgebäude mit den Halbbogenfenster und auch der zweite Innenhof mit diesen versetzt gefächerten Steinen. Aber es ist halt das geworden, was man von einem Neubauprojekt in einer westeuropäischen Innenstadt erwarten kann: ein klinischer Ort.

Das Viktoria wurde in die Etage ans obere Ende des grossen Bogens eingebaut. Im vierten oder fünften Obergeschoss. Das war früher einer der Übergangsflure in die hinteren Bereiche. Es ist ein schöner Raum mit dem unverputzten Mauerwerk der Ruine. Die neuen Teile sind aus dunklem Holz und schwarzem Metall. In der Mitte eine grosse Bar. Die Fenster sind riesig, das Licht fällt von allen Seiten ein, man sitzt etwas über den Dächern der umliegenden Häuser, sodass man über ein Meer aus Stadt hinausschaut. In der Nähe sieht man das goldene Dach der Synagoge in der Oranienburger, dahinter taucht der beleuchtete Fernsehturm auf.

Wir redeten über schöne Männer. Jetzt, wo es nicht mehr meine Kollegen sind, wollte ich wissen, wen sie in der Firma den schönsten Mann finden. Die Geschmäcker sind unterschiedlich, aber auf einige wenige können sich alle einigen. Aber die meisten Männer haben zu wenig Körperhaare. Und wir reden über Sex. Schwule Männer sind die einzigen Männer, mit denen man ernsthaft über Sex reden kann, ohne blödem Gekicher oder blöden Sprüchen, man kann einfach über Sex reden. Was gut ist, was schlecht ist und sich Anekdoten erzählen, die lustig sind, ohne verschämtes Gelächter auszulösen.
Nur über einen Exkollegen haben wir alle sehr gestaunt, weil der einen riesigen Penis hat, den er sich mit Silikon aufspritzen lassen hat. Der Penis ist so gross wie ein muskulöser Männerunterarm. Nicht ganz so lang, aber mindestens so dick. Jeder kannte seinen Penis, weil sich sein Twitter-Account, auf dem er genüsslich sein Gemächt der Welt präsentiert, schnell rumsprach. Und ja, man sieht die riesige Beule auch im Alltag an der Hose. Ich bin erleichtert, dass auch meine Begleiter nicht ganz wussten, wie man einen Penis aus Silikon sinnvoll einsetzt. Grosse Penisse sind sicherlich sehr beliebt, aber es geht nicht immer nur um die Länge oder um den Durchmesser. Ein gewisser Härtegrad ist schliesslich unabdingbar. Abgesehen davon ist unser Exkollege passiv (sowas weiss man), dann kann man sich die Penisgrösse eigentlich auch sparen. Aber wir sind uns auch einig: Es gibt für jede Vorliebe einen Liebhaber.

Irgendwann werde ich gute Geschichten über die letzten vier Jahre erzählen können. Wenn einmal mehrere Grassschichten darüber gewachsen sind.

Danach gingen wir in die Bar zwei Stockwerke höher. Die Bar hat einen Balkon. Und da will man eigentlich nicht mehr runter.

Am Freitagmorgen klingelte es um 7 Uhr früh an der Haustür. Die Ikealieferung klappte endlich im dritten Anlauf. Ein Bett und ein Kleiderschrank. Leider musste ich feststellen, dass ich vergessen hatte, eine Matratze zu kaufen. Das neue Bett hat nämlich ein anderes Mass als mein bisheriges.

Der Hausflur ist mit Kartonage vollgestellt. Das wird jetzt wohl ein paar Tage lang so bleiben. Am Wochenende werde ich immerhin den Schrank aufbauen.

Am Freitag war auch unser elfter Hochzeitstag. Wir gingen in die Hostaria del Monte Croce, ein traditioneller Italiener in der Mittenwalder Strasse. Das Wort “Hostaria” gibt es nicht. Man würde “Osteria” dazu sagen. Warum sie sich falsch nennen, konnte ich nicht herausfinden. Das Restaurant gibt es schon seit dreissig Jahren, weder machte man damals hippe Wortspiele, noch sieht das Lokal danach aus, als würde es hippe Wortspiele machen wollen. Anfang der Neunziger war Kreuzberg ein ziemlich toter Ort, an dem niemand mehr wohnen wollte. Vor allem nicht Leute, die Wortspiele machen. Aber Monte Croce bedeutet Kreuzberg, das finde ich nett.

Das Lokal befindet sich in einer Remise im zweiten Innenhof eines Altbaukomplexes. Den Part fand ich schön. Am Eingang las ich aber, dass sie keine Kartenzahlung akzeptieren würden. Das sorgte für schlechte Stimmung bei mir. Ich fragte den arrogant und unfreundlich wirkenden Kellner etwas genervt, wo es einen Geldautomaten gäbe, woraufhin er mir den Weg erklärte, der Automat sei nicht ganz nahe, schon weiter als fünf Minuten entfernt. Der Automat stellte sich dann als defekt heraus. Man sagte mir, es gäbe noch eine Geldmaschine ein Stück weiter die Strasse hoch, an der Ampel. Dort ging ich hin, aber der war auch defekt. Googlemaps zeigte mir als nächstmögliche Option einen Geldautomaten in der entfernten Gneisenaustrasse an. Ich bekam viele negative Gefühle. Ich nahm mir vor kein Trinkgeld zu geben und auch den Grund dafür zu nennen, dass ich an meinem Hochzeitstag wegen deren Onlycash Attitüde eine halbe Stunde durch die Gegend latschen muss um an Bargeld zu kommen.

Als ich dann zurück im Restaurant war, nahm ich mir vor, die schlechte Laune nicht überhandnehmen zu lassen, das gelang eigentlich ganz gut, aber es gab kein Bier, sondern mediokren Weisswein und das Lokal war viel zu warm, die Wärme drückte sich regelrecht in dieses Lokal hinein. Draussen war es angenehm frühsommerlich kühl, es regnete auch ein wenig, aber draussen durfte man nicht sitzen und drinnen drückte alles auf mich ein. Ich ertrage Hitze schon so schlecht, aber eine drückende Hitze killt jeden guten Willen in mir. Daher weiss ich nicht, ob das Essen medioker war, oder ob meine Stimmung wenig Essensfreude zuliess. Es war vor allem salzlos, aber das kann ja auch ein Kochstil sein. Zudem wurden die Gänge in Schneckentempo serviert. Das Menü enthielt 7 Gänge, ich hatte den ganzen Tag kaum etwas gegessen, weil ich mich auf den Abend freute, so sass ich ziemlich hungrig da, stets in Erwartung auf den nächsten Gang, weil ich die Zwischenzeit mit Wesswein zu füllen versuchte, bekam ich obendrein auch noch Kopfweh. Dabei erwähnte ich noch gar nicht die Nackenschmerzen meiner Frau, die auch nicht zu unserer Stimmung beitrugen.

Nach dem sechsten Gang beschlossen wir, die Nachspeise wegzulassen und so gingen wir.

Es war nicht mein Abend. Ich bin sonst wirklich keine Diva, ich ertrage sehr viel, aber manchmal summieren sich kleine Dinge. Trotzdem bin gerne elf Jahre mit meiner Frau verheiratet.

[Zusammenwohnen mit Tina in Madrid]

Vor einigen Tagen schrieb ich ziemlich abfällig über den Mann aus der Nachbarschaft. Das habe ich jetzt gelöscht. Zum einen, weil er meinen Namen kennt und mich theoretisch googlen kann, und ich glaube nicht, dass es schön ist, so etwas über sich im Netz zu lesen. Auch wenn er anonym geblieben ist und ich seine Persönlichkeitsrechte damit nicht verletze.

Aber vor etwa zwanzig Jahren schwor ich mir, nie wieder über Menschen zu lästern.

Schon vorher war ich kein grosser Lästerer, Lästerei ist nicht Teil meines Persönlichkeitsprofils. Aber damals wohnte ich mit Tina zusammen in einer kleinen Wohnung in Madrid. Wir waren Kolleginnen und arbeiteten in einer internationalen Firma, die UNIX-Spezialisten in Madrid zusammenzog, um eine Art Tech-Hub zu gründen. Ich wurde von dem niederländischen Zweig der Firma nach Madrid entsandt und Tina vom deutschen Zweig. Die meisten unserer Kolleginnen wohnten am Stadtrand in der Nähe des Büros. Sie lebten in einer internationalen Blase von Expats, redeten nur englisch und pflegten keinen Kontakt zu Spaniern. Ich fand dieses Lebensmodell uninteressant. Für mich war immer klar, dass ich in der Innenstadt wohnen wollte. Schliesslich war ich nicht nach Madrid gezogen, um zu arbeiten. Da es in meiner Wohnung ein freies Zimmer gab und ich mir die Kosten teilen wollte, bot sich Tina als meine Mitbewohnerin an. Ich war bei der Auswahl nicht wählerisch, es war mir nur wichtig, dass die Person kein Arschloch sei, alles weitere würde sich ergeben. Ich kannte Tina nicht gut, sie arbeitete in der deutschen Abteilung, ich hing vor allem mit den Engländern und den Niederländern rum. Einige der Kerle im Büro beglückwünschten mich für meine neue Mitbewohnerin. Tina hatte nämlich auffällig schöne Brüste und sie feierte auch gern. Ausserdem lebe ihr Freund weit weg in Castrop-Rauxel und kam sie nie besuchen. In den Augen der Kollegen sah das sicherlich aus wie ein privates Harem.

Ich hatte aber eine Freundin und ich bin nicht so der Typ für Brüste.

Mein Ansinnen war es nicht, mich mit ihr anzufreunden. Ich brauchte nur eine Person, die kein Arschloch war, ob man zusammen etwas unternähme, war zweitrangig und ergäbe sich, wenn die Chemie stimmte, aber es war mir auch nicht so wichtig. Anfangs luden wir Kolleginnen ein und spielten Karten, oder wir unterhielten uns und gingen dann gemeinsam in die Bars, ein paar Mal luden wir grössere Runden ein und kochten etwas. Die Beziehung zwischen mir und ihr blieb aber funktional. Vermutlich hatte sie sich ein engeres Band vorgestellt. Anfangs wusch sie meine Wäsche mit und kaufte Brot für mich ein, aber ich unterstützte das nicht und erwiderte es auch nicht, so hörte das von selber auf. Ich hatte damals wohl schon das Gefühl, mir vielleicht doch ein Arschloch eingefangen zu haben. Nur war mir das aufgrund der schönen Brüste nicht aufgefallen.

Tina war ein gehässiger Mensch. Tina fand Spanier rückständig. Franzosen waren Franzacken, Italiener waren Spaghettifresser und Engländer nannte sie konsequent “Tommies”. Dabei sass jeden zweiten Tag Simon bei uns. Simon kam aus Reading, westlich von London und war verliebt in Tina. Er kam gerade von der Uni und trug immer Hemden wie alle jungen Engländer in unserer Firma. Er sass Abende lang bei uns im Wohnzimmer mit Tina am Tisch, er bekochte sie, er himmelte sie an, sie liess es geschehen, machte ihm ein schönes Gesicht und wenn er wieder ging, kotzte sie sich bei mir über das Tommieschweinchen aus. Simon hatte das Pech, nicht besonders vorteilhaft auszusehen, ich verstand schon, was Tina mit “Schweinchen” meinte, schmaler Mund, aufgeschwollene Backen, immer leicht rosa gefärbt. Ich fand das unfair, Simon war eigentlich ein lieber Kerl, er war ein hilfloses Glühwürmchen, dessen Gefühle ihn dazu trieben, jeden Tag um sie herumzuschwirren, wie in der Schwerkraft eines Zentralgestirns verfangen. Und sie liess sich bezirzen.

Von Simons Liebe wussten natürlich alle im Büro. Viele fanden es belustigend, dass er sich so sehr um sie bemühte, sie ihn aber nicht heranliess. Eine Bekannte aus dem deutschen Team sagte mir einmal, sie wundere sich, dass Simon nicht Tinas Bösartigkeit bemerke. In Tinas Sätzen schwang immer Bösartigkeit mit, Missgunst, Grobheit. Wenn man im Taxi durch die Stadt fuhr, stinkte der Taxifahrer, die Strassen waren zu hell beleuchtet, es war immer zu kalt oder zu warm, Männer, die Analsex wollen, sind in Wirklichkeit schwul, undsoweiter. Die Theorie der Bekannten war es, dass Tina sich auf englisch nicht so gut ausdrücken könne und ihre Tiraden und Plattitüden deswegen schlichtweg nicht funktionieren würden, vielleicht wirkte sie in einer fremden Sprache einfach hilfloser. Das war eine schlüssige Theorie.

Nach zwei Monaten kam meine deutsche Freundin zu Besuch, das war die junge Frau, für die ich ein Jahr später nach Hamburg ziehen würde. Ich holte sie vom Flughafen Barajas ab und wir kamen zu Hause an. Die Wohnung war sehr eng und die Türen dünn. Tina war im Büro, aber ich hatte mir freigenommen. Meine Freundin und ich machten uns im Wohnzimmer breit, ich kochte Kaffee und ich beschwerte mich laut und genüsslich über Tina. Zwar hatte ich meine Freundin auf sie vorbereitet, aber das Zusammenwohnen mit Tina und ihrem bezirzenden Simon hatte gerade einen Höhepunkt erreicht, an dem es mich eingehend beschäftigte. Ich sagte richtig böse Dinge über sie.

Die beiden Schlafzimmer gingen direkt vom Wohnzimmer ab und man konnte darin jedes Wort vom Wohnzimmer mithören, sofern es nicht geflüstert wurde. Nach zehn Minuten des bösartigen Lästerns entdeckte ich Tinas Arbeitslaptop, der auf dem Tisch stand und eingeschaltet war. Sie musste wohl einen Homeofficetag eingereicht haben und lag vermutlich für ein Mittagsschläfchen in ihrem Zimmer.

Das war es dann wohl.

Zwar hatte ich Tina nie eine Freundschaft vorgetäuscht, aber ich äusserte mich auch nicht über meine wachsende Ablehnung. Wir waren Kolleginnen und aufgrund der Expat Situation unternahmen wir manchmal Dinge gemeinsam, aber immer zusammen mit anderen Menschen.
Dass sie jetzt meine bösartig geäusserte Meinung über sie hinter ihrem Rücken mitbekommen hatte, traf mich sehr. Es entsprach nicht meinen moralischen Vorstellungen. Ich zog mich erst mal mit meiner Freundin in mein Zimmer zurück und danach gingen wir auf einen Spaziergang in die Stadt, assen etwas, ich zeigte ihr die Puerta del Sol undsoweiter. Aber ich bekam dieses schlechte Gefühl nicht von mir weg.

So beschlossen wir nach Hause zu gehen. Ich besprach das Vorhaben mit meiner Freundin. Ich würde Martina einfach direkt ansprechen. Ihr sagen, dass ich mit ihrer negativen Energie nicht gut umgehen könne und ihr Verhalten mit Simon nicht gut fände und wir nach einer Lösung mit der Wohnung suchen müssten.

So gingen wir nach Hause, Tina war nach den vielen Stunden offenbar immer noch in ihrem Schlafzimmer, es hätte mich nicht gewundert, wenn sie nun zutiefst gekränkt und heulend in ihrem Zimmer läge, also klopfte ich an ihrer Tür. Weil sie nicht antwortete, klopfte ich noch einmal und noch einmal und noch einmal. Sie antwortete aber nicht. Also öffnete ich die Tür. Das Bett war sauber gemacht und Tina war nicht da. Aber ihr Laptop stand immer noch auf dem Tisch.
Also schrieb ich ihr eine Mail. Darin schrieb ich, dass wir jetzt wohl miteinander reden müssen. Ob sie gleich nach Feierabend Zeit hätte.
Sie antwortete verwundert: ja gerne! Aber warum müssen wir reden?

Kurz darauf verstand ich, dass sie gar nicht zuhause gewesen war und mein Geläster gar nicht mitbekommen hatte. Ihren Laptop hatte sie nur zuhause stehen lassen, weil sie eine Teamviewer Session darauf laufen habe, um das VPN der Firma zu umgehen.

In dem Moment fiel die ganze Anspannung von mir ab. Und das war auch der Moment, an dem ich mir schwor, nie wieder über jemanden zu lästern, ohne dass diese Person es nicht ohnehin schon von mir wüsste.

Unsere Beziehung verschlechterte sich danach trotzdem. Aber das ist eine andere Geschichte.

Deswegen löschte ich jedenfalls die Passage über den Mann aus der Nachbarschaft.

(Da wir gerade beim Madrid Thema sind, noch eine andere Erinnerung an Madrid)